Mittwoch, 11. März 2009

Die Ausgewanderte - Stadt

Olot era una ciutat! Encara tinc ben present el punt exclamació simbòlic que vaig posar quan vaig veure per primera vegada la skyline olotina. Gràcies! Alegria! Olot no era un poble! Perquè de pobles en tenia una certa experiència, al cap i a la fi vaig viure en un fins als meus 20 anys i la vida allà era prou limitada, avorrida i fins i tot mediocre, de manera que em moria de ganes de posar una llarguíssima distància entre poble i universitat. Per a mi, que era una mica ingènua, el contrari del poble entès com a forma de vida no era la ciutat metropolitana, sinó que era a la universitat on -així m’ho imaginava- hi hauria un excés de tot allò que trobava a faltar a la meva heimat, a la meva petita pàtria: allà, a la alma mater, hi bufarien els vents de la llibertat, hi regnaria l’esperit crític, es cultivaria el diàleg sense prejudicis i les fonts del coneixement brollarien.

Beim seinerzeit klassischen, inzwischen wohl aus der Mode gekommenen Schulaufsatzthema: Stadt oder Land, wo möchtest du wohnen - das ich nach meiner Erinnerung, die möglicherweise trügt, mehrfach zu bearbeiten hatte, mußte ich, was die erforderliche Grundentscheidung anbelangt, nie auch nur einen Augenblick zögern oder nachdenken. In Tolstois gesamten Krieg und Frieden ist mir immer der eine kurze Satz der liebste gewesen, der, zu Beginn eines der zahlreichen Kapitel, vermerkt, Knäs Andrei habe nach seiner Verwundung zwei Jahre „unwegfahrlich“ (beswyjezdno) auf dem Gut seines Vaters gelebt. Der Bericht über diese zwei Jahre, von denen weiteres nicht berichtet wird, ist mir immer der schönste Bericht von der vergehenden Zeit gewesen, angefüllt bis zum Rand mit lautlosen und unsichtbaren Vorkommnisses. Gern hätte ich ihn, unter Verzicht auf weitere Aktionen, bis an das Ende des Buches gedehnt. Die zweitliebsten Stellen im Roman waren mir die von den Schlittenfahrten, man fährt in die einbrechende Dunkelheit hinein, in die unermeßliche, an den Sternenhimmel angrenzende weiße Wüste, in der wie Schatteninseln die von Bäumen umstandenen Dörfer treiben. Aus dieser Quellen speiste sich mein geheimer, tief im Inneren verborgener Lebenstraum, den ich immer gern jedermann erzählt habe: der Traum vom Landedelmann mit einer reichen Bibliothek und mit einem treuen Gutsverwalter, so daß er, der Edelmann, sich selbst um nichts zu kümmern hat. Ein regelmäßiges Einkommen, nicht unbedingt üppig aber hinreichend für die Durchführung eines Zusatztraums: Ein Forschungsjahr in der Antarktis, täglich eine halbe Stunde Außendienst und drei bis vier Stunden wissenschaftliche Arbeit in der Unterkunft. Für den Rest der Zeit eine gute Bibliothek, natürlich den Umständen entsprechend eingeschränkt, drei Mahlzeiten, zwei kürzere und eine lange, im Kreis der sämtlich intelligenten und angenehmen Gefährten, eine enge Gefährtin, die es, Gott sei Dank, gibt, und die daher nur aus dem realen Leben in den Traum zu transferieren wäre: Prou.

Hätte mich ein Schutzengel vor der Erfüllung dieses Traums bewahren müssen, wäre es sicher ein besonders guter gewesen. Abgesehen von dem Desaster, das sich unweigerlich ergeben hätte, wenn der Traum unvollständig erfüllt worden wäre, also zum Beispiel ohne den Verwalter, wäre in jedem Fall notwendig etwas anderes zu träumen gewesen. Die seltsame Neigung zu der kleinen Pyrenäenstadt Olot, die mir erst - auf nicht ganz legitimem Wege, wie ich inzwischen erfahren mußte - die Blätter der educació olotina in die Hände spielte, gibt sicherlich einen Hinweis auf die Richtung, in der der Traum sich dann verlagert hätte. Schon zuvor hatten französische Provinzstädte ein ganz ähnliches Sehnen in mir ausgelöst, Semur-en-Auxois ist einer von vielen Namen, die ich nennen könnte. Hätte ein böser Geist mir auch diesen und weitere Träume erfüllt, wäre ich zuguterletzt womöglich in Manhattan angekommen, wo ich mich bei meinem einzigen Besuch gar nicht einmal unwohl gefühlt habe.

Aufgewachsen bin ich mehr oder weniger im Zentrum einer kleineren, gesichtslosen Großstadt, Maca, die mir nicht aus dem Sinn geht, in einem Poble vielleicht gar nicht einmal weit entfernt davon. Der Unterschied poble/ciutat der Kinderstube kann kaum die denn doch einigermaßen auffälligen Unterschiede in der Einstellung hervorgerufen haben. Es ist denkbar, daß die Gesichtslosigkeit des lugar de mi nacimiento, de cuyo nombre no quiero acordarme, einem ohnehin geringem Realitätsinteresse eine geringes Interesse auch an der näheren Umgebung hinzugefügt hat. Wenn man, wie einige wenige, immer noch glaubt, daß die Menschen von Haus und von noch weiter zurück unterschiedlich sind, kann man sich guten Gewissens weiteres Kopfzerbrechen an dieser Stelle schenken.


Sicher ist, daß Maca als Ausgewanderte sich den Luxus einer weitgehenden Gleichgültigkeit gegenüber ihrer Umgebung nicht leisten konnte, denn nach allem, was man liest war es ja mit gutem Grund nie ihre Absicht gewesen, sich in Olot wie in einem Ghetto einzurichten. Sie mußte sich lösen aus einem zunächst bestehenden Sprachghetto und aus anderen Ghettoerscheinungen. Sie mußte an sich, an ihrer Umgebung und am Verhältnis beider zueinander arbeiten.
Sovint atribuïa el meu malestar a la provincialitat, a la petitesa d’Olot: me’n queixava a qui em volia escoltar i als qui no ho volien també, fins un dia beneït un “molt amic” – al qual vull erigir un monument ara i aquí, em va aplicar una de les lliçons més eficaces de la meva educació olotina: simplement em va ordenar que deixés aquella autocompassió de ploramiques. Vaig obeir i descobrir el remei de les meves penes ridícules, un remei molt català i també molt alemany: treballar, així de simple. No es tractava de treballar cobrant, sinó fer feines que es veien justes i necessàries amb un grup de companyes i companys en el nostre temps lliure. Aquesta “immersió laboral” em va curar de molts mals socials i em va donar el regal inestimable de l’amistat d’un grup de persones que (entre moltes altres coses) em van ajudar a conèixer Olot i a estimar-la.

Da Maca es mit der Realität zu tun hatte, konnte sie nicht ihne weiteres nach Nova York weiterziehen, wo sie sich allerdings in neuerer Zeit, wie aus einer naturgemäß unsicheren Quelle verlautet, wiederholt aufgehalten hat.




Montag, 9. März 2009

Die Ausgewanderte

Aus mir selber nicht recht erfindlichen Gründen haben die Geschicke der kleinen Pyrenäenstadt Olot mich schon immer in besonderem Maße bewegt, und seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre bin ich wiederholt, wenn auch keineswegs regelmäßig, meistens über die Autobahn, durch das Rhonetal oder aber durch das französische Zentralgebirge, in jüngster Zeit wohl auch mit dem Flugzeug nach Katalonien und Olot gereist, manchmal bloß nur für eine, manchmal für mehrere Wochen, besonders gern im Herbst zur Festa Major aber durchaus auch zu den anderen Zeiten des Jahres. Da kann ich es nur als eine besondere Fügung ansehen, wenn mir jetzt, auf Wegen, auf die ich nicht näher eingehen will, Aufzeichnungen einer dorthin ausgewanderten Deutschen - die Übersiedlung muß ungefähr zur Zeit meines ersten Besuches stattgefunden haben - in die Hände geraten sind. Verschiedene, wenn auch keineswegs eindeutige Einzelheiten in den Manuskripten lassen überdies vermuten, daß die schöne - so unterstellt man natürlich, und in jedem Fall: aquí pots ésser maca – per poc vistós que estiguis - perquè a dins teu se suposa una ànima bella - daß die schöne Ausgewanderte also, die wir der Einfachheit halber im folgenden Maca nennen wollen, unfern meiner eigenen Heimat am Nordhang des Teutoburger Waldes aufgewachsen ist. Leider sehe ich mich nicht befugt, die Aufzeichnungen zur Gänze zu veröffentlichen ohne die ausdrückliche Zustimmung der Autorin. Wie ich diese Zustimmung erlangen sollte, weiß ich nicht. Niemand wird aber ein Unrecht darin sehen wollen, wenn ich einzelne Stellen, die mir besonders nahe gehen, an mich nehme und in eigenes Nachsinnen einkleide.


Die Blätter sind zusammengefaßt unter dem Titel UNA EDUCACIÓ OLOTINA. Wir wollen nicht in den Fehler Blumenbergs verfallen, der, wie er selbst einräumt, sein unorthodoxes Verständnis des Begriffes der Gottesfurcht erst zu einem Zeitpunkt durchschaute, als er bereits eine ganze Theologie irreversibel auf der Annahme eines ängstlichen und verhuschten Gottes aufgebaut hatte. Eine voreilige Festlegung, wer wen zu fürchten hat , oder, in unserem Fall, wer wen erzieht, unterbleibt also besser. Nichts spricht zwar dafür, es sei unserer Ausgewanderten, Maca, vordringlich darum gegangen, die Olotiner Mores zu lehren, aber auch eine nahtlose Einpassung in Sitten und Bräuche der neuen Heimat war vielleicht nicht das Ziel: Olot per una forastera (fins i tot per una forastera prou integrada) tenia i te aspectes que són - parlant gastronòmicament - com un os dur de rosegar i altres ben dolços que passen com la crema de St. Josep.

Auch für einen Ostwestfalen, der das diesem Volksstamm anlastende Klischee der Unempfindlichkeit und Holzklotzartigkeit vielleicht recht gut erfüllt, ist es ganz und gar nicht das gleiche, nach Olot zu reisen oder ein Indianerlager zu betreten, und doch ist es ein Geschehen der gleichen Kategorie. In beiden Fällen gilt es, die dominierende Gleichheit der Menschen zu sehen, ohne darüber das Gefühl für die unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen zu verlieren. Daß die Olotiner Unterschiede, gemessen am Indianerbeispiel, eher filigran und mikroskopisch sind, hat nichts zu besagen. Wir wissen, daß Lautunterschiede, die in einer Sprache gar nicht wahrgenommen werden, in einer anderen die Bedeutung auf den Kopf stellen können. Sprache aber ist als die zentrale sowohl humane als kulturelle Erscheinung anzusehen, und was hier gilt, wird auch sonst nicht ohne Gültigkeit sein. Maca führt ein sehr schönes und zugleich erheiterndes Beispiel an für den kleinen Unterschied, der einen großen macht: A mi només m’arribaven onades de soroll del qual de tant en tant en pujava, com una butllofa, la paraula “mauvais”. M’irritava tanta dolença en una sobretaula d’una gent que semblava feliç i contenta. Vaig trigar un bon temps fins se’m va revelar que el suposat dolent era “molt bé”.


Maca ist wie keine zweite bestrebt und befähigt, zwischen den Anforderungen des Universalismus und des Kulturalismus zu vermitteln. Wenn der gastronomische Aspekt zunächst auf der metaphorischen Ebene eingeführt wurde, so rückt er auch ganz real in einer kulturkomparatistischen Weise in das Zentrum der Betrachtungen: La meva primera notícia culinària catalana, encara a Alemanya estant, era la del pa amb xocolata que aleshores no em va convèncer gaire. Ara en penso diferent, encara que no m’he convertit en una endrapadora apassionada d’aquesta combinació. La defenso perquè veig massa nens engolint bolleria industrial, però sobretot perquè més enllà dels valors nutritius del pa amb xocolata, s’hi materialitza tot una filosofia de la vida: El pa de cada dia, essencial i imprescindible, i una dosi de dolç, de vici i d’alegria. Feliç la criatura que encara pugui gaudir d’un berenar tan profund!

Per qüestions de paladar, servidora dóna la palma al pa tomàquet que, com cal, va ser el primer que vaig menjar en terres catalanes i del qual no fa falta que canti aquí les seves excel·lències que amb tota la raó estan a prop del mite.

Voleu que expliqui quatre coses del meus orígens culinaris? Una mica exagerat, per tal que el meu entusiasme per la cuina catalana es faci més patent? Aquí teniu: Un cop superada la cuina de subsistència de la postguerra, als fogons de la majoria de les famílies alemanyes s’havia perdut el bon fer: tractar amb saviesa els productes, tenir temps i amor pel plat que vols portar a taula. Menjàvem plats únics massa pesats, destinats prioritàriament a atipar els comensals.

Aquí hi ha peix! Xai! Oli de oliva! Gambes! Coques de llardons! Ratafia! Hortalisses ecològiques de Can Maia! Vi! Cava! Aiguardent de fajol! Crema de St. Josep! Panellets! Fesols de Santa Pau! Tot això i un munt de productes més que ja sabeu... Si ara algú opina que és millor menjar bé que parlar-ne, té tota la raó del món.

Der Daheimgebliebene gibt ihr recht nicht zuletzt was die schlichten Formen des pa tomàquet und des pa amb xocolata und vor allem auch, was den schönen Seitenblick auf die glückliche criatura que encara pugui gaudir d’un berenar tan profund anbelangt, und wenn er sich doch kleine Korrekturen vorbehält, dann vielleicht nur geboren aus der Not, die Olotiner Küche nur sehr sporadisch genießen zu können, und ansonsten mit der deutschen, nicht selten sogar mit der von ihm selbst zubereiteten auskommen zu müssen. Beim letzten Satz allerdings folgt er Maca nicht so ganz, und, wie er vermutet, sie sich selbst auch nicht. Zumindest im Zustand der - wie auch immer erreichten - Sättigung ist das Vergnügen, Josep Plas oder Vázquez Montalbáns, um es bei den Katalanen zu belassen, Ausführungen zum Essen zu lesen, kaum geringer als dasjenige des realen Vollzugs. Und wird der reale Genuß nicht erst angefeuert durch die Namen der Gerichte und Weine und dann durch ihren Anblick zum Lodern gebracht, während die arme Kreatur sich nur wort- und blicklos auf ihren Napf stürzen und ihn wie rasend leeren kann, um dann ernüchtert und verlassen in die Welt zu schauen. Es sind die alten ungeklärten Fragen von Sprache und Sein, Lesen und Leben, zwischen Leben als Lesen und Lesen im Leben, zwischen Don Quijote und Sancho Pansa.

Von irgendeiner Fixierung Macas auf den gastronomischen Aspekt kann ohnehin nicht die Rede sein, Sancho Pansa, der uns ja allen Freude bereitet, steht ihr keineswegs näher als Don Quijote, die Metapher des Essens wird rückgewendet auf Realitäten ganz anderer Qualität: Per a mi ‘crema olotina’ significa: un grup de gent ben a prop i aleshores queviures com ara la faràndula ballant, els murs secs de Batet, els pagesos al Firal als dies de mercat, les obres de Leonci Quera, el toc d’inici del Cornamusam, les poemes de Joan Teixidor, la vista des de St. Francesc, les campanades de St. Esteve que puc sentir des de casa meva ...

Bewegt man sich im Spannungsfeld von Universalismus und Kulturalismus, landet man unausweichlich bei der Frage des Nationalismus: La placa ja portava una d’aquelles enganxines que demanaven EN CATALÀ SI US PLAU (així en majúscules). Vaig pensar que era impossible reivindicar amb més claredat i alhora amabilitat l’indubtable dret a l’ús públic de la pròpia llengua: Ningú no s’arromangava les mànigues i no treia ni els punys ni armes pitjors per posar-les al pit de ningú en nom del català. - Si el nacionalisme d’ací era així, jo volia ser catalana. Aquesta pretensió, però, s’havia quedar en el desig, un desig, a més, ingenu, era una mena de fugir d’estudi, perquè hauria significat passar ratlla al passat nacionalista assassí del meu país fent veure que em podia deslliurar de la culpa i vergonya amb la qual hem de carregar els alemanys per haver permès, i massa sovint aplaudit, el règim nazi.

Selbst war ich in meiner Kindheit und Jugend, die noch immer nicht recht abgeschlossen ist, wahrscheinlich allzu sehr beschäftigt, Apachen- und Cheyennenationalist zu sein, um dem deutschen Nationalismus die gebührende oder auch nur allernotwendigste Aufmerksamkeit zu schenken. Übersehen ließ er sich beim besten Willen, der nur der allerschlechteste hätte sein können, dann natürlich nicht. Vor gar nicht mal allzu langer Zeit, als ich, mit einigen Kenntnissen der irischen Geschichte versehen, Bob Geldorfs Song of an Emerging Nationalist hörte, konnte nur der Gedanke an die schlimmen Vorgänge im Norden des Landes mich davon abhalten, irischer Nationalist zu werden. Natürlich ist richtig, daß Kulturen sich gegenseitig befruchten, aber sie brauchen auch Schutz voreinander, wie ihn der Nationalstaat leisten kann. Niemand, der bei Sinnen ist, wird die Deutung vertreten, die europäischen Einwanderer in Nord- und Südamerika hätten die indigenen Kulturen befruchtet, und mancher würde sich wünschen, diese hätten es bis zum Nationalismus gebracht, bevor sie zerstört wurden. Wer ist nicht auf Seiten der Kurden? Und wer hätte Lord Byron und die anderen getadelt, als sie zum Frommen der Griechen gegen die Türken zogen. Der Nationalismus der kleinen und unterdrückten Völker, jedenfalls solange sie keine Nation sind, ist ein ganz anderer als der der großen und mächtigen.

Eins steht völlig außer Frage: Em temo que quant al nacionalisme català m’he de declarar en bancarrota mental, intel.lectual i psíquica. Quan vaig fer el primer intent de situar-me en la problemàtica vaig acabar amb la frase “Em fa por el nacionalisme excloent.” El nacionalisme excloent ist natürlich das genaue Gegenteil des nicht in jedem Fall unberechtigten kulturellen Nationalismus: Gaeilge led’ thoil, en Català si us plau. Leider wissen wir aber und verstehen auch, daß die Schwachen, sollten sie mächtig werden, nicht mehr dieselben sind.

Sonntag, 8. März 2009

Una literatura de bondad

Wiedergelesen: Onetti, Cuando ya no importe, in anderen Büchern des Autors geblättert

Es imposible no querer a Onetti.
A Onetti todo el mundo le teme.
Mi literatura es una literatura de bondad y qui no lo vea así es un burro.


Das erste Urteil, der hinteren Buchklappe von Cuando ya no importe entnommen, kann man fürs erste wohl übergehen, niemand wird behaupten wollen, er liebe Onetti in der Art, wie man vielleicht Tschechow oder Fontane lieben kann – oder scheint das nur uns mitteleosturopäischen Gringos so? Dem zweiten Urteil, aus einem einleitenden Aufsatz zu Los adioses, wird jeder, der vielleicht gerade Onettis Bekanntschaft erst gemacht hat, gern zustimmen. Die dritte Beurteilung muß man ernst nehmen, denn es ist vom Autor selbst. Man weiß zwar, Onetti, ist trickreich und listig und man darf ihm nicht ohne weiteres trauen, aber andererseits möchte man auch nicht Gefahr laufen, als Esel dazustehen.

Wollte in einem gedachten Interkontinentalwettstreit Europa die Trumpfkarte Kafka ziehen, würde Südamerika wohl versuchen, mit Onetti zu kontern, die Einzelentscheidung sicher nicht gewinnen, das ist nicht gut denkbar, aber auch nicht so viele Punkte verlieren, als daß die Hoffnung auf den Gesamtsieg schon dahin wäre. Beide Autoren zeichnet eine scheinbar sorglose, karge und doch ungeheuer exakte Sprache aus. Onetti bestätigt den Eindruck der Sorglosigkeit: No trabajo la frase, ni la sintaxis ni el estilo. No lo hago. Man glaubt ihm das angesichts des eigentümlichen, in gewisser Weise zwielichten aber unbestreitbaren Glanzes seiner Prosa nicht so ganz, und das bekümmert ihn: Me da mucha pena que no lo crea. Auch den Kummer muß man ihm nicht unbedingt glauben, allerdings bietet Onetti von sich aus eine Lösung des Problems an: Yo no sé escribir mal - da kann man dann in der Tat sorglos sein. Die lakonische Präzision der Sprache wird jedenfalls im Vergleich mit der deutschen Übersetzung an allen Ecken deutlich:

Als sie sich wieder eingekriegt hatten, ergriff einer von ihnen, ich glaube, es war Dick, das Wort. // Repuestos, uno de ellos habló, tal vez fue Dick. Silbenzahl 25 : 15, und das Spanische ist ja nicht eigentlich silbenarm.

Kafka hätte, einfach seiner eigenen Sprache folgend, an dieser Stelle und an vielen anderen sicher besser übersetzt. Die bei schwachen Kenntnissen der spanischen Sprache mühevolle Lektüre im Original ist lohnend, der Nichtiberer kann allerdings, über den Übersetzungsvergleich hinaus, kaum die inneren Abgrenzungen gegenüber anderen Formen im Gebrauch des Idioms abschätzen, die erst eine wirkliche Bestimmung der Sprachführung Onettis erlauben.


Die Romanhelden beider Autoren leben in halluzinierte Welten, mit zum Teil vergleichbaren Realien ausgestattet, etwa den schmutzigen Kaschemmen voller Trunkenheit und Geschlecht. Kafkas Gerichtsgebäude und Schloß entsprechen bei Onetti Werft und Stauwerk. Der Zug zum Wasser ist unverkennbar. Lloverá siempre sind die letzten Worte im letzten Buch des Autors. Kafkas bis zum Schluß eigentlich immer munteren und unverzagten Helden bewegen sich in trockener Luft und stoßen sich an harten Türen. Böhmen ist ein Land ohne Ahnung vom Meer, und auch die seine Heimatstadt durchfließende Moldau hat Kafka offenbar nicht besonders beschäftigt. Uruguay ist demgegenüber ein gesichtsloser Landfleck an der riesigen Mündung des Plataflusses, el Río Negro parte el país casi exactamente, en mitades, la parte norte era para Brasil y la parte del sur para los argentinos. Santamaría, die von Onetti für seine Helden Brausen, Larsen, Díaz Grey und schließlich Juan Carr geschaffene Stadt, ist mit allem Nachdruck eine Stadt am Wasser. Der Eilfertigkeit der Kafkaschen Helden in trockener Luft entspricht eine sumpfige Lethargie: Me eché vestido en la grande cama para mirar, bocarriba, inmovíl, con las manos juntas sobre el vientre, la evolución del sol en el piso y en las paredes.

Una literatura de bondad. Auch die Güte Gottes, wenn es die denn geben sollte, kann man sich nur als sehr diffizil vorstellen, andernfalls wäre sie gänzlich unangebracht und nur albern. Niemand kann vernünftigerweise in schlichter Güte über unserer Welt thronen, in dem Zustand, in dem sie ist. Onetti, als der souveräne Herr des von ihm geschaffenen Santamaría, steht vor annähernd gleichen Schwierigkeiten. Esa ciudad condenada desde su nacimiento me interesa mucho sin llegar a querer la desmasiado. Das gilt wohl in beiden Richtungen, der Schöpfer kann seine Geschöpfe nicht über die Maßen lieben und die ihn nicht. Das hält auch die Leser im Zaum in ihrer Leidenschaft, vor übermäßiger Liebe ist aber ohnehin immer wieder gewarnt worden und inzwischen, in kühler Zeit, scheint sie weitgehend besiegt.

Yo nunca me emborracho. Podría tomar y tomar, mucho mas que esto, toda la noche, y sería lo mismo. Juan Carr heißt der Held und Icherzähler des Buches, Juan Carlos Onetti, Juan Carrrh ... so als sei dem Autor der eigene Name, den er einschreiben wollte in das Buch, schon nach wenigen Silben im Tabak- und Alkoholhusten erstickt. Auf diese Weise hat er ein letztes Mal die von ihm geschaffene Welt betreten, hat die Tür hinter sich geschlossen und ist nicht wieder hervorgekommen. Aus Santamaría werden keine verläßlichen Nachrichten mehr zu uns gelangen.

Samstag, 7. März 2009

Phillies

Gelesen: Philippe Besson, L’arrière-saison

Eins von vielen Beispielen, ausgewählt nach dem Zufallsprinzip: Nihgthawks (1942) verbildlicht das gebrochene Verhältnis des Menschen mit seiner Umgebung: Am Rande einer menschenleeren Straße entsteht die einzige Helligkeit durch das künstliche Licht einer Eckbar. Die klaren trennenden Linien und starken Farben rufen den Eindruck von entfremdeten Individuen in einer lebensfeindlichen Stadt hervor. – Seitdem das Wort von der Entfremdung in der Welt kam, ist eine nicht geringe Fraktion der Menschheit damit beschäftigt, es wahllos nach allen Seiten auszuschütten, mit allem Vorzug aber auf das Werk des amerikanischen Malers Edward Hopper. Hopper erfaßt seine Figuren nicht in Augenblicken hitzigen Wortwechsels oder übermütiger Luftsprünge, aber wem oder wovon entfremdet sie das? Der katalanische Prosagroßmeister Josep Pla hat den Anspruch auf das Taedium Vitae, das keine Koexistenz mit Bocksprung und Wortschwall kennt, als eines der zentralsten Menschenrechte reklamiert, weil nur in diesem Zustand die Welt in ums wahrhaftig zu sich kommt. Hopper bestätigt diese Wahrheit nachhaltig, wenn überhaupt müßte man bei ihm von Ententfremdung sprechen.

Philippe Besson ist es daher unbedingt zugute zu halten, wenn er aus dem Hopperbild, ohne sich irgend um Entfremdung zu kümmern, eine muntere Geschichte löst, um sie uns zu erzählen, die Geschichte von Louise, Stephen, Norman und Ben. Aber eigentlich brauchen wir sie nicht, diese Geschichte, denn es kann ja kein Zweifel sein, wer die rothaarige Frau und ihr Begleiter in Wirklichkeit sind: Linda Loring und ihr Ehemann, Philip Marlowe. Sie haben den Abend im El Paradiso verbracht, einem Etablissement in der Hand mafiöser Gestalten, halb Recherche, halb waren sie nur froh miteinander. Jetzt sitzen sie im Phillies und trinken noch eine Tasse Kaffee. Ihre Anwesenheit stört ihn nicht, beflügelt ihn vielmehr beim Nachsinnen und Kaffeesatzlesen, sie ist nicht im geringsten belästigt vom Schweigen.

In diesem Bild hat Hopper eine bestimmte Schicht der Chandlerspiritualität freigelegt und in eine andere Ausdrucksform zu transponiert, nicht weniger genial als Howard Hawks das mit seiner Verfilmung des Big Sleep getan hat. Hawks kümmert sich um das Tempo der Aktion und der Dialoge, Hopper um den Marlowe, der sich gern in die Position des einsamen Schachspielers begibt, und dessen Blick dann vorbeigleitet an den Chessmen hin zu dem verborgenen Geheimnis, das er zu einem nicht geringen Teil zutage fördern wird. Die Chessmen stellt er als verheirateter Mann jetzt aber wohl nur noch selten auf. Chandler hat von dem Roman über den verheirateten Marlowe nur wenige Seiten hinterlassen, aber jeder kann ihn zuende schreiben, der die Worte hat und es versteht, sich in Hoppers Bild zu vertiefen. Robert Parker hat es getan in einer Weise, die alle Achtung verdient, daß er sich dabei auf Hopper gestützt hätte, ist allerdings nicht verbürgt.

Freitag, 6. März 2009

Das letzte Kapitel

Es war nur noch wenig Zeit bis zum Abflug, aber niemand wollte bestreiten, daß ich zuvor noch eine neue Hose benötigte und daß beim Kauf einer Hose, was Farbe, Schnitt und Paßform anbelangt, Bedachtsamkeit und Umsicht und mithin ein angemessener Zeitaufwand angebracht sind. Ich lief die Hauptstraße zurück in die Innenstadt, bog aber, schon außer Sichtweite der Freunde, nach rechts ab in die Seitenstraße, in der die Pension lag, die wir in den letzten Tagen bewohnt und gerade erst verlassen hatten. Das Foyer war menschenleer, ich durchmaß es mit entschlossenem Schritt und sah rechterhand eine halbgeöffnete Tür. Das Zimmer war noch nicht aufgeräumt, das scherte mich aber nicht. Ich schloß die Tür hinter mir und hatte nun die ersehnte Stille und Muße, das letzte Kapitel des Romans zuende zu lesen. Als ich wieder hinaustrat auf den Flur, kam vom Foyer her die Inhaberin, eine hochgewachsene Person fortgeschrittenen Alters mit strengem Ausdruck unter den zurückgekämmten, im Nacken zusammengenommenen blonden Haaren, in Begleitung einer Gruppe neuer Gästen, mit eiligem Schritt auf mich zu. Ich nickte ihr zu, sie war zu überrascht für irgendeine Reaktion. Ich trat auf die Straße und schaute zur Sonne hoch. Zeit für den wohlüberlegten Kauf einer Hose war nun nicht mehr, ich würde die erstbeste nehmen müssen, mochte sie nun Streifen und Karos haben und nur durch Hosenträger vorm Absturz zu bewahren sein.

Donnerstag, 5. März 2009

Papusza


Gelesen: Colum McCann, Zoli

Auf einigen der Bilder sind Zigeuner zu sehen, die man zusammengefangen hat. Freundlich schauen sie durch den Stacheldraht, irgendwo weit hinten in der Slowakei.

Jestem dumna że jestem Cyganką

Beim ziellosen Netzstöbern war ich auf die mich besonders anrührende Photographie einer noch jungen fremdartigen Frau gestoßen. Die Augen hatte sie, versunken in sich und ihr Geheimnis, unter gesenkten Lidern abwärts gerichtet. Die oberhalb der Gürtellinie leicht verschränkten Arme hatten die Zeit angehalten. Auf einer am Hals getragenen, tief über das Kleid aus geblümten Stoff herabhängenden Kette sind die Gedanken der vergangenen Stunde aufgefädelt, zahlreich und alle sehr fein. Es handelte sich, wie dann zu lesen war, um die aus Polen stammende Zigeunerdichterin Papusza alias Bronislawa Wajs, über die oder von der ich bis dahin noch nie auch nur ein einziges Wort gehört oder gelesen hatte. Zwei, drei Seiten weiter war dann zu erfahren, der in Amerika lebende irische Autor Colum McCann habe in seinem Roman Zoli mehr oder weniger das Schicksal der Papusza nachgezeichnet. Ein europäisches Schicksal, Europa mit den Augen einer Zigeunerin; nicht daß es uns vergönnt wäre, mit diesen Augen zu sehen.

Colum McCann, eingedeutscht: die Taube als Sohn des Wolfsjungen – ein rechter Indianername möchte man meinen. Winnetou I ist eines der Bücher, das Zoli-Papusza liest, nachdem sie entgegen der Zigeunersitte, wie sie noch in Kraft war in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts, Lesen gelernt hat. Das Buch wurde, wie viele andere Bücher, die im Indianer die edle Seele entdeckten, geschrieben, als zeitgleich die Ureinwohner Amerikas weitgehend ausgerottet wurden, und als im Jahre 1885 der Zigeunerbaron seine Premiere hatte, deutete auch das keineswegs auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den seßhaften Europäern und dem aus Indien zugewanderten unsteten Volk hin. Man mag diese leichten Verklärungen in Trivialroman und Operette als besondere Perfidie der gern so genannten Bourgeoisie ansehen, aber vielleicht waren es auch erste bunte Bänder, die über einen Abgrund geworfen wurden. Denn es ist ja nicht so, daß die europäischen Einwanderer in Amerika es leicht gehabt hätten mit den in Verhältnissen der Steinzeit lebenden Stämmen, Verständigung war, auch bei gutem Willen, extrem schwierig, wir wissen es aus den besseren Filmen über die Indianer, Filmen in der Art von Robert Aldrichs Ulzana's Raid. Der in McCanns Roman geschilderte Besuch eines Zigeunerlagers in der Slowakei im Jahre 2003 steht an Befremdlichkeit und Gefahr dem Besuch eines Indianerlagers hundertfünfzig Jahre zuvor kaum nach.

Bei leichthin über die kulturellen Abgründe geworfenen bunten Bändchen und Girlanden ist es in der Folge nicht geblieben. Der Linguistik ist der Nachweis zu verdanken, daß es keine wilden, primitiven Sprachen gibt, Sprache, das maßgeblichste kulturelle Werkzeug und die Seele der Menschheit ist überall auf dem gleichen Niveau, allesamt Wunderwerke an Komplexität und Schönheit. Lévi-Strauss hat das wilde Denken definiert, aber gerade nicht als primitive Vorstufe und Zurückgebliebenheit, sondern als ein Denken von gleicher Schärfe und Stringenz wie das neuzeitliche, allerdings, so muß es uns erscheinen, mit weniger erfolgreichem Weltkontakt. Das ist nun inzwischen längst glattgezogen durch den in Recht gegossenen Antirassismus und die ergänzende Vorstellung des Multikulturalismus, die allerdings wohl wenig anderes meint als die ungeduldige Erwartung, daß alle ernsthafteren kulturellen Unterschiede unter der Glocke des globalen Konsumismus schon bald verdampft sein werden.

Von ähnlichen Hoffnungen unter der Glocke des Kommunismus, offenbar ein Zwilling des Konsumismus innerhalb der großen Schar der Kinder der Aufklärung, und ihrem schlimmen Scheitern wird in dem Buch erzählt. Im ersten Enthusiasmus der Befreiung vom Faschismus sind alle vereint, Citizens of Gypsie Origin, Come Join Us. Nicht zuletzt Zoli-Papusza scheint aus der Poesie, aus dem Herzen der Sprache, aus dem Herzen der Menschheit, aus dem Herzen der Schönheit heraus, eine Brücke zu bauen. Tragfähig ist sie natürlich nicht, es endet damit, daß die Citizens of Gypsie Origin in Wohntürme eingepfercht und Zoli von ihrem Volk verstoßen wird. Sie flieht unter leidvollen Umständen aus der Slowakei und vermag die Lyrik ihres Lebens zu retten, als sie Enrico trifft, aus reichem Veroneser Haus, der seinen Lebensunterhalt als Schmuggler in den Tiroler Alpen verdient, a gypsie at heart. Zu schön eigentlich, aber wir sind zu froh über diese gute Wendung, als daß wir kleinlich werten möchten.

Zoli erreicht auch noch ihr Sehnsuchtsziel Paris, das sie sich ohne rechte Sehnsucht schon früh selbst verordnet hatte. Anlaß ist ein Kongreß der Citizens of Gypsie Origin, an dessen Organisation ihre Tochter Francesca maßgeblich ist. Zoli flieht aus der Veranstaltung und findet am Abend in einer trunkenen Kumpanei für einen Augenblick zurück zu ihrer Gestalt als junger Zigeunersängerin und -dichterin.

Am Ende des Buches angelangt, sehen wir nicht mehr nur auf das Bild der Papusza, wir sind in ihrem Bild, wir können und wollen nach wie vor nicht behaupten, daß wir mit ihren Augen sehen, derartige Intimitäten verbietet der Roman sich und uns, aber wir wissen, daß die Welt schön wird, wann immer ein schöner Blick auf sie fällt, auch wenn er eigentlich fast nur Schlimmes sieht.

Papusza, Bronislawa Wajs, hat ihre zweite Lebenshälfte nicht in Oberitalien verbracht, sondern im westpolnischen Gorzów Wielkopolski, Landsberg an der Warthe. So steht es jedenfalls auf einer Gedenktafel, die man ihr zu Ehren dort angebracht hat. Für einen glücklichen Verlauf ihrer späteren Tage finden sich keine Hinweise. Die gesamte Romanerzählung nach dem Verlassen der Slowakei ist völlig von dem realen Vorbild abgelöst. Leider hat es für Papusza wohl auch keinen veronesischen Prinzen gegeben, no gypsie at heart, żaden cygan sercem.