Dienstag, 31. Mai 2011

Hohes Laufgitter

Wir gingen zu zweit durch ein hohes, auf Metallpfeiler und -streben gesetztes Laufgitter, das die ganze Stadt zu durchqueren schien. Endlich waren wir ungestört in unserem Gespräch und konnten einander berichten, was sich zugetragen hatte in der langen Zeit seit unserem letzten Zusammentreffen. Bald aber kamen wir an eine Stelle, an der das Laufgitter unterbrochen war. Als ich hinüberhangelte auf die andere Seite, sah ich, daß unter der Lücke im Steg auch das tragende Untergestell fehlte, nur Leere bis zum Asphalt. Sie konnte mir nicht nachfolgen, und auch mir fehlte der Mut für den Weg zurück. Während wir noch ratlos dastanden, ein jeder auf seiner Seite, sahen wir einen Jungen eine Treppenleiter hinabeilen, die uns nicht aufgefallen war. Es waren bei genauerem Hinsehen zwei Treppenleitern, eine auf jeder Seite, die uns mühelos nach unten trugen. Wir vergaßen, die Treppe jenseits der Lücke gemeinsam wieder aufzusteigen, um unseren Weg im Hochgitter fortzusetzen, und waren bald wieder umringt von den anderen und ihren unschuldigen Worten. Unser Gespräch konnten wir nicht fortführen.

Mittwoch, 4. Mai 2011

Freude

Wohl jeder, der zuhörte, als die Kanzlerin Freude über die Tötung Bin Ladens bekundete, wird sich gefragt haben, war der Wortlaut unbedacht oder kalkuliert. Vielleicht ging es der Kanzlerin um eine Diskussion nicht ganz so flach und lustlos wie seinerzeit bei den Ceaucescus. Hoch schlagen die Wellen aber auch dieses Mal nicht. Vertreter der Kirchen schlagen gemäßigt freudlose Formulierungsvarianten vor, Atheisten bekennen sich zu christlichen Werten und bezeugen so ein weiteres Mal die Herkunft der Aufklärung aus dem Evangelium. Vertreter des totalen Rechtsstaats seien hier auf ästhetische Bedenken hingewiesen. Kein ernstzunehmender Verfasser von Kriminalromanen wird darauf verzichten, wenn schon nicht die Haupt-, so doch eine Nebenrolle mit einem Verfechter des kurzen Instanzenwegs zu besetzen. Was wären die schwedischen Filme vom Kommissar Beck ohne den Assistenten Gunvald Larsson – sie wären grauenhaft. In Hollywood sind erste Verfilmungen des Lebenswegs Osama bin Ladens angelaufen. Billy the Kid ist mit jeder weiteren Verfilmung nur edler und liebenswerter geworden. Denkbar, daß auf diesem langen Weg auch der Outlaw Bin Laden noch zum amerikanischer Nationalhelden läutert.