Mittwoch, 20. Juli 2011

En el rincón de una iglesia

Mis convicciones son las mismas que las de la anciana que reza en el rincón de una iglesia.
Meine Überzeugungen unterscheiden sich nicht von denen der alten Frau, die im dunklen Winkel einer Kirche sitzt und betet.

Wir sind in den Innenraum einer großen lateinamerikanischen Barockkirche versetzt. Das Kirchenschiff wölbt sich hoch, wenn der Blick nach oben geht. Ein Gottesdienst wird zu dieser Zeit nicht gefeiert, eine Messe wird nicht gelesen, Worte sind nicht zu hören, wohl auch kein Gesang, jedenfalls nimmt die alte Frau dergleichen nicht wahr, es ist still um sie. Die Frau sitzt allein in ihrer Ecke, falls noch weitere Menschen in der Kirche sind, sieht sie sie nicht, die Entfernungen in der Kirche sind groß. Es ist dunkel, einige Kerzen scheinen, das Tageslicht dringt nur schwach durch die Fenster. Die Wahrheit des Glaubens ist im Gemäuer, in den Säulen, in den Bildwerken. Die Bildwerke sind nicht von Fra Angelico oder Grünewald, die Frau, wenn sie aufschaut, stört sich daran nicht, die Bilder sind ihr nicht weniger schön und eindringlich, die unbekannten Maler haben sich nicht weniger gemüht. Die Frau ist alt, nicht so alt wie der Glaube, aber alt genug, um die Kraft des Überkommenen zu spüren. Es mag eine Frau aus dem Volk sein oder aus dem gehobenen Bürgertum, gebildet oder ohne Schulabschluß, das ist unerheblich. Wichtig ist dem Verfasser der Scholien zu einem inbegriffenen Text ihre Weiblichkeit. Es geht ihm, dessen männlicher Blick immer wieder abschweift, nicht um die Gleichheit der Geschlechter, ihre Auswechselbarkeit, bewahre. Es geht ihm um das Denken hinter der Beschlossenheit des weiblichen Auges, wie Pisanello sie angedeutet hat bei der Principessa durch die geringfügigste Senkung der unteren Lidgrenze. Die Überzeugungen der alten Frau sind tief aber ohne scharfe Umrisse. Ihr Beten, das sind vielleicht gemurmelte Worte, die sie selbst kaum versteht, vielleicht ist es aber auch ein wortloser Zustand, das Große Gebet.

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