Freitag, 2. Januar 2009

Homunculus

Gelesen: Heinsohn/Steiger: Eigentum, Zins und Geld

Liest man als Unbedarfter in wirtschaftstheoretischen Schriften, ergibt sich leicht das folgende Bild: Zahlreiche nicht unmittelbar verständliche Begriffe mit dem Wortbildungsteil „Grenz“, Tabellen und Formeln und in der Mitte des Ganzen der unablässig vorteilssuchende, rational tauschende Homo Oeconomicus, offenbar ein mit den kargen anthropologischen Merkmalen der Frühaufklärung ausgestatteter Homunculus. Nun fehlt es sicherlich nicht an Versuchen, den Homunculus Oeconomicus dadurch zu belegen, daß man ihn realisiert. Vor einem Telephonat verbringt der Homunculus nach dieser Vorstellung zwei Stunden mit der Suche nach der günstigsten Vorwahl, widmet den weiteren Vormittag der Frage, ob sein derzeitiger Gasversorger noch der richtige ist und verbringt den Rest des Tages mit Preisvergleichen, um den Kauf einer neuen Hose angemessen vorzubereiten. Ohne Frage gibt es empirische Annäherungen an diesen Idealtypus, in seiner Reinheit wäre er aber, darüber dürfte Einvernehmen zu erzielen sein, dem klinischen Bereich zuzuordnen.

Da ist es wohltuend, im Inneren einer ausgearbeiteten Wirtschaftstheorie den Homunculus Oeconomicus der anthropologischen Folklore zugewiesen zu finden. Heinsohn und Steiger periodisieren ähnlich wie Luhmann, wenn auch mit anderen Begriffsnamen, in primär segmentär (tribale), primär hierarchisch (feudale) und primär funktional differenzierte (freie) Gesellschaften und schränken das Wirtschaften im Sinne der modernen Wirtschaftswissenschaften allein auf die letztgenannte Gesellschaftsform ein. Modernes Wirtschaften ist nicht vom Tauschparadigma abzuleiten und damit auch schon beim Neandertaler festzustellen, sondern entsteht allein durch die gänzlich immaterielle, wirtschaftsendogene Umformung von ökonomisch - wenn auch zum Beispiel kriegerisch - nicht zu gefährdenden Besitz in beleihbares, blockierbares, verpfändbares und damit ökonomisch verlierbares und daher mit einer Eigentumsprämie ausgestattetes Eigentum. Die Theorie kommt weitgehend ohne nicht verifizierbare anthropologische Annahmen aus und befreit uns, wie immer es im einzelnen um sie bestellt sein mag, auf das angenehmste vom Homunculus Oeconomicus.

Die Ökonomie, aufgehängt am uneingeschränkt mathematisierbaren Geld wie sie scheint, gilt wohl als der am besten erforschbare gesellschaftliche Bereich. Was aber, wenn die Herkunft und die Natur des Geldes unbekannt oder falsch verstanden sind? Als Ausweg aus Wirtschaftskrisen empfehlen die Autoren eine radikale Neuverteilung des Eigentums nach dem Vorbild des Romulus zur Wiederherstellung der Verschuldungsfähigkeit. Es ist nicht ganz deutlich, ob sie darin lediglich die theoretisch wirksamste oder auch eine praktisch mögliche Maßnahme sehen. Immerhin ging es bei Romulus, wie überliefert ist, ja nicht ohne Blutvergießen ab.

1 Kommentar:

Christian Runkel hat gesagt…

Mit dem Homo Oeconomicus aber verhält es sich so. Die Tiefe spricht: »In mir ist er nicht«; und das Meer spricht: »Bei mir ist er auch nicht.« Hiob 28,14.