Samstag, 1. August 2009

Jeśli Boga nie ma

He rose and stood in the bow of the boat, very straight and tall, for all the world, as if he were saying: There is no God.

No debemos concluir que todo es permetido, si Dios no existe, sino que nada importa. Los permisos resultan irisorios cuando los significados se anulan.


Falls es keinen Gott gibt, dieser Titel eines Buches des unlängst verstorbenen Leszek Kolakowski wird alle diejenigen neugierig machen, die befürchten, vermutlich ist es so, es gibt Gott nicht, daraufhin ihr metaphysisches Bedürfnis heimatlos sehen und in keiner Weise darauf vertrauen, der verabschiedete Gott habe der Menschheit mit Vernunft, Mündigkeit und ähnlichem zuguterletzt noch die passenden Werkzeuge hinterlassen, um ohne seine Hilfe zurechtzukommen.


Falls es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt. Dostojewskis bekannter Satz, dem der Titel des Buches entliehen ist, zielt vor allem auf die moralischen Konsequenzen, Kolakowski beschäftigt sich stärker noch mit den erkenntnistheoretischen: Falls es keinen Gott gibt, gibt es keine Wahrheit, sondern nur noch Verfahren und Methoden zur Erzeugung von Wahrheitssurrogaten, insbesondere die der Wissenschaft. Sobald die Möglichkeit zugelassen ist, daß es einen Gott nicht gibt, werden Glauben und Skepsis zu ontologischen Optionen, die sich selbst nicht beweisen und die Gegenposition nicht wegbeweisen können. Das ist nicht neu, aber die souveräne gedankliche Sorgfalt in der Demonstration Kolakowskis ist wohltuend.

Wenn also dergestalt ein intellektuelles Unentschieden zwischen der Skepsis und dem Glauben, der Vernunft der Aufklärung und den religiösen Gewißheiten oder, noch einmal anders, zwischen dem Profanen und dem Heiligen besteht, so ohne die notwendige Folge einer friedlichen und irgendwie gleichberechtigten Koexistenz. Nach langen Jahrhunderte einer Dominanz der Gottesleute und des Heiligen triumphiert jetzt im nur noch zaghaft christlich genannten Europa die andere Seite. Die Aufklärung ist in ihren Methoden des Machterhalts inzwischen deutlich freundlicher als das Christentum zur Zeit der Inquisition, allerdings von einer besonderen Durchtriebenheit, wenn sie ihre gesamte Produktpalette - Demokratie, Menschenrechte, Emanzipation, EU, UNO, Schulpflicht, Ganztagskinderstätten – als neutral, gar nicht von ihr entwickelt, sondern, in einem seltsamen Crossing, gleichsam als gottgewollt darstellt, als gottgewolltes Endziel. Und tatsächlich ist die Aufklärung kaum vorstellbar ohne den Anschub des Christentums, derjenigen unter den Abrahamsreligionen mit der stärksten Tendenz zur Selbstsäkularisierung, vorgegeben in der Figur des menschgewordenen Gottessohns. Gleichzeitig werden die Bemühungen immer deutlicher und heftiger, dem Demokratieprinzip und den mit ihm verbundenen Werten, im Sinne ihrer gottlosen Autarkie, eine eigentümliche profane Sakralität zu verleihen.


Kolakowski versucht nicht, Proselyten von der einen auf die andere Seite abzuwerben, zu spüren ist aber eine gewisse Vorliebe für die Position der derzeit Schwächeren. Ähnliches mag Habermas durch den Sinn gegangen sein, als er vor einigen Jahren, überraschend und zum gelinden Entsetzen seiner Anhänger, die mit leichtem metaphysischen Gepäck, zu denen er sich selbst zählt, zu mehr Rücksicht auf die mit schwerer Last aufforderte. Fairneß mag der ihn leitende Begriff gewesen sein, schon als Kinder haben wir es mit den Indianern gehalten. Bei Kolakowski kommt hinzu, daß er die Stärken des Kommunismus lebensnah genossen hatte und die fundamentale Dichotomie zwischen dem prometheischen Atheismus und der Religion, als der Lehre vom immer scheiternden Menschen, sieht. Er scheitert mit oder ohne Gott, aber vielleicht nicht auf die gleiche Weise.

Todo es trivial si el universo no está comprometido en una aventura metafízica - Anders als Gómez Dávila, der hier aushelfen muß, geht Kolakowski auf die ästhetische Seite des Gottesverlustes nicht unmittelbar ein, streift sie aber, wenn er in den Mystikern die hellsten Sterne am geistigen Firmament der christlichen Kirche sieht. Dabei sieht er eine eigentümliche Konvergenz in der kognitiven Haltung des radikalen Mystikers und des radikalen Skeptikers, verkörpert in den Gestalten Wittgensteins und des Nikolaus Cusanus. Niklas Luhmann hat sich immer wieder gern mit dem Namensvetter aus Kues abgegeben: wenn Gott in der gleißenden Helle der mystischen Erkenntnis verschwindet, wird die unablässige Arbeit der Systeme sicht- und hörbar, und in den windstillen Nächten geht ein ständiges Huschen und Rascheln durch das ausgetrocknete Gehäuse der gottverlassenen Welt, und bisweilen erhebt sich auch ein aus Tausenden von winzigen Kehlen gepreßter pathetischer Gesang.

Falls es keinen Gott gibt – Kolakowski gibt keine Verhaltenslehren für den Katastrophenfall. Wenn man die Romantik als eine von metaphysischer Sehnsucht getragene Reaktion auf den sich abzeichnenden Gottesverlust versteht, sieht man sich berechtigt, auf Rüdiger Safranski und seine überraschende aber auch gewinnende Zweisphärentheorie überzuspringen: Das Romantische ist phantastisch, metaphysisch, versucherisch, überschwenglich, abgründig. Politik sollte sich auf das Prinzip der Verhinderung von Schmerzen, Leid und Grausamkeit gründen. Wir brauchen beides, die Abenteuer der Romantik und die Nüchternheit einer abgemagerten Politik. Wenn wir die Vernunft der Politik und die Leidenschaft der Romantik nicht als zwei Sphären begreifen und stattdessen die bruchlose Einheit wünschen, dann besteht die Gefahr, daß wir in der Politik ein Abenteuer suchen und der Kultur dieselbe soziale Nützlichkeit abfordern wie der Politik.

Eine verordnete Schizophrenie für die Individuen also, und wenn wir mit einfacher Zweiteilung davonkommen, können wir noch froh sein. Der Gottesglaube aber verliert gerade für den Skeptiker jeden Wert, wenn er sich einseitig und, wie Kolakowski schreibt, unterwürfig gegenüber den Forderungen der Moderne ganz auf die Seite der abgemagerten Politik schlägt. Menschgeworden hat der XRISTOS sich schon weit vorgewagt, mit einem bekannten Politiker, und sei es Obama, hat er in Grünewalds Erfassung zumindest keine Ähnlichkeit.


1 Kommentar:

Christian Runkel hat gesagt…

Je länger ich mit Gläubigen und Ungläubigen zu tun habe, desto mehr sehe ich, daß ihre Antworten auf die Frage, ob es einen Gott gibt oder nicht, sich ähnlich sind. Die Gläubigen kennen alle Einwände der Skeptiker, und es brennt bitter in ihrem Inneren, wenn sie deren Argumente bewiesen bekommen, indem die großen Gotteserfahrungen ausbleiben, die Gebete unerhört. Die Skeptiker dagegen finden oft wunderbare Worte für den Wert des Glaubens und sind ihm nahe, auch wenn sie den letzten Schritt nicht tun und nicht ganz einfach „die Kulte beachten“ wollen, wie Ernst Jünger es ausgedrückt hat.

Man kann aus allem folgern, daß es Gott gibt und daß wir alle mit einer Gottesbezogenheit als Nabelschnur auf die Welt kommen, die wir im Gegensatz zur natürlichen Nabelschnur nie verlieren. Was spricht dagegen, dies so anzunehmen? Sich eine Zufallswelt ohne eine erste Ursache zu denken, ohne einen schöpferischen Plan, widerstrebt den meisten Menschen. Es ist irgendwie unästhetisch.

So träume ich also weiter von dem schlichten Gottesdienstraum, in den alle Menschen ohne Vorbedingungen eintreten können. Eine Kerze brennt darin, und ein einfach gekleideter Priester sagt: tretet näher, siehe, die Hütte Gottes ist bei allen Menschen.

Irgendwo muß es diesen Raum geben.