Freitag, 6. März 2009

Das letzte Kapitel

Es war nur noch wenig Zeit bis zum Abflug, aber niemand wollte bestreiten, daß ich zuvor noch eine neue Hose benötigte und daß beim Kauf einer Hose, was Farbe, Schnitt und Paßform anbelangt, Bedachtsamkeit und Umsicht und mithin ein angemessener Zeitaufwand angebracht sind. Ich lief die Hauptstraße zurück in die Innenstadt, bog aber, schon außer Sichtweite der Freunde, nach rechts ab in die Seitenstraße, in der die Pension lag, die wir in den letzten Tagen bewohnt und gerade erst verlassen hatten. Das Foyer war menschenleer, ich durchmaß es mit entschlossenem Schritt und sah rechterhand eine halbgeöffnete Tür. Das Zimmer war noch nicht aufgeräumt, das scherte mich aber nicht. Ich schloß die Tür hinter mir und hatte nun die ersehnte Stille und Muße, das letzte Kapitel des Romans zuende zu lesen. Als ich wieder hinaustrat auf den Flur, kam vom Foyer her die Inhaberin, eine hochgewachsene Person fortgeschrittenen Alters mit strengem Ausdruck unter den zurückgekämmten, im Nacken zusammengenommenen blonden Haaren, in Begleitung einer Gruppe neuer Gästen, mit eiligem Schritt auf mich zu. Ich nickte ihr zu, sie war zu überrascht für irgendeine Reaktion. Ich trat auf die Straße und schaute zur Sonne hoch. Zeit für den wohlüberlegten Kauf einer Hose war nun nicht mehr, ich würde die erstbeste nehmen müssen, mochte sie nun Streifen und Karos haben und nur durch Hosenträger vorm Absturz zu bewahren sein.

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