Sonntag, 8. März 2009

Una literatura de bondad

Wiedergelesen: Onetti, Cuando ya no importe, in anderen Büchern des Autors geblättert

Es imposible no querer a Onetti.
A Onetti todo el mundo le teme.
Mi literatura es una literatura de bondad y qui no lo vea así es un burro.


Das erste Urteil, der hinteren Buchklappe von Cuando ya no importe entnommen, kann man fürs erste wohl übergehen, niemand wird behaupten wollen, er liebe Onetti in der Art, wie man vielleicht Tschechow oder Fontane lieben kann – oder scheint das nur uns mitteleosturopäischen Gringos so? Dem zweiten Urteil, aus einem einleitenden Aufsatz zu Los adioses, wird jeder, der vielleicht gerade Onettis Bekanntschaft erst gemacht hat, gern zustimmen. Die dritte Beurteilung muß man ernst nehmen, denn es ist vom Autor selbst. Man weiß zwar, Onetti, ist trickreich und listig und man darf ihm nicht ohne weiteres trauen, aber andererseits möchte man auch nicht Gefahr laufen, als Esel dazustehen.

Wollte in einem gedachten Interkontinentalwettstreit Europa die Trumpfkarte Kafka ziehen, würde Südamerika wohl versuchen, mit Onetti zu kontern, die Einzelentscheidung sicher nicht gewinnen, das ist nicht gut denkbar, aber auch nicht so viele Punkte verlieren, als daß die Hoffnung auf den Gesamtsieg schon dahin wäre. Beide Autoren zeichnet eine scheinbar sorglose, karge und doch ungeheuer exakte Sprache aus. Onetti bestätigt den Eindruck der Sorglosigkeit: No trabajo la frase, ni la sintaxis ni el estilo. No lo hago. Man glaubt ihm das angesichts des eigentümlichen, in gewisser Weise zwielichten aber unbestreitbaren Glanzes seiner Prosa nicht so ganz, und das bekümmert ihn: Me da mucha pena que no lo crea. Auch den Kummer muß man ihm nicht unbedingt glauben, allerdings bietet Onetti von sich aus eine Lösung des Problems an: Yo no sé escribir mal - da kann man dann in der Tat sorglos sein. Die lakonische Präzision der Sprache wird jedenfalls im Vergleich mit der deutschen Übersetzung an allen Ecken deutlich:

Als sie sich wieder eingekriegt hatten, ergriff einer von ihnen, ich glaube, es war Dick, das Wort. // Repuestos, uno de ellos habló, tal vez fue Dick. Silbenzahl 25 : 15, und das Spanische ist ja nicht eigentlich silbenarm.

Kafka hätte, einfach seiner eigenen Sprache folgend, an dieser Stelle und an vielen anderen sicher besser übersetzt. Die bei schwachen Kenntnissen der spanischen Sprache mühevolle Lektüre im Original ist lohnend, der Nichtiberer kann allerdings, über den Übersetzungsvergleich hinaus, kaum die inneren Abgrenzungen gegenüber anderen Formen im Gebrauch des Idioms abschätzen, die erst eine wirkliche Bestimmung der Sprachführung Onettis erlauben.


Die Romanhelden beider Autoren leben in halluzinierte Welten, mit zum Teil vergleichbaren Realien ausgestattet, etwa den schmutzigen Kaschemmen voller Trunkenheit und Geschlecht. Kafkas Gerichtsgebäude und Schloß entsprechen bei Onetti Werft und Stauwerk. Der Zug zum Wasser ist unverkennbar. Lloverá siempre sind die letzten Worte im letzten Buch des Autors. Kafkas bis zum Schluß eigentlich immer munteren und unverzagten Helden bewegen sich in trockener Luft und stoßen sich an harten Türen. Böhmen ist ein Land ohne Ahnung vom Meer, und auch die seine Heimatstadt durchfließende Moldau hat Kafka offenbar nicht besonders beschäftigt. Uruguay ist demgegenüber ein gesichtsloser Landfleck an der riesigen Mündung des Plataflusses, el Río Negro parte el país casi exactamente, en mitades, la parte norte era para Brasil y la parte del sur para los argentinos. Santamaría, die von Onetti für seine Helden Brausen, Larsen, Díaz Grey und schließlich Juan Carr geschaffene Stadt, ist mit allem Nachdruck eine Stadt am Wasser. Der Eilfertigkeit der Kafkaschen Helden in trockener Luft entspricht eine sumpfige Lethargie: Me eché vestido en la grande cama para mirar, bocarriba, inmovíl, con las manos juntas sobre el vientre, la evolución del sol en el piso y en las paredes.

Una literatura de bondad. Auch die Güte Gottes, wenn es die denn geben sollte, kann man sich nur als sehr diffizil vorstellen, andernfalls wäre sie gänzlich unangebracht und nur albern. Niemand kann vernünftigerweise in schlichter Güte über unserer Welt thronen, in dem Zustand, in dem sie ist. Onetti, als der souveräne Herr des von ihm geschaffenen Santamaría, steht vor annähernd gleichen Schwierigkeiten. Esa ciudad condenada desde su nacimiento me interesa mucho sin llegar a querer la desmasiado. Das gilt wohl in beiden Richtungen, der Schöpfer kann seine Geschöpfe nicht über die Maßen lieben und die ihn nicht. Das hält auch die Leser im Zaum in ihrer Leidenschaft, vor übermäßiger Liebe ist aber ohnehin immer wieder gewarnt worden und inzwischen, in kühler Zeit, scheint sie weitgehend besiegt.

Yo nunca me emborracho. Podría tomar y tomar, mucho mas que esto, toda la noche, y sería lo mismo. Juan Carr heißt der Held und Icherzähler des Buches, Juan Carlos Onetti, Juan Carrrh ... so als sei dem Autor der eigene Name, den er einschreiben wollte in das Buch, schon nach wenigen Silben im Tabak- und Alkoholhusten erstickt. Auf diese Weise hat er ein letztes Mal die von ihm geschaffene Welt betreten, hat die Tür hinter sich geschlossen und ist nicht wieder hervorgekommen. Aus Santamaría werden keine verläßlichen Nachrichten mehr zu uns gelangen.

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