Montag, 9. März 2009

Die Ausgewanderte

Aus mir selber nicht recht erfindlichen Gründen haben die Geschicke der kleinen Pyrenäenstadt Olot mich schon immer in besonderem Maße bewegt, und seit der zweiten Hälfte der siebziger Jahre bin ich wiederholt, wenn auch keineswegs regelmäßig, meistens über die Autobahn, durch das Rhonetal oder aber durch das französische Zentralgebirge, in jüngster Zeit wohl auch mit dem Flugzeug nach Katalonien und Olot gereist, manchmal bloß nur für eine, manchmal für mehrere Wochen, besonders gern im Herbst zur Festa Major aber durchaus auch zu den anderen Zeiten des Jahres. Da kann ich es nur als eine besondere Fügung ansehen, wenn mir jetzt, auf Wegen, auf die ich nicht näher eingehen will, Aufzeichnungen einer dorthin ausgewanderten Deutschen - die Übersiedlung muß ungefähr zur Zeit meines ersten Besuches stattgefunden haben - in die Hände geraten sind. Verschiedene, wenn auch keineswegs eindeutige Einzelheiten in den Manuskripten lassen überdies vermuten, daß die schöne - so unterstellt man natürlich, und in jedem Fall: aquí pots ésser maca – per poc vistós que estiguis - perquè a dins teu se suposa una ànima bella - daß die schöne Ausgewanderte also, die wir der Einfachheit halber im folgenden Maca nennen wollen, unfern meiner eigenen Heimat am Nordhang des Teutoburger Waldes aufgewachsen ist. Leider sehe ich mich nicht befugt, die Aufzeichnungen zur Gänze zu veröffentlichen ohne die ausdrückliche Zustimmung der Autorin. Wie ich diese Zustimmung erlangen sollte, weiß ich nicht. Niemand wird aber ein Unrecht darin sehen wollen, wenn ich einzelne Stellen, die mir besonders nahe gehen, an mich nehme und in eigenes Nachsinnen einkleide.


Die Blätter sind zusammengefaßt unter dem Titel UNA EDUCACIÓ OLOTINA. Wir wollen nicht in den Fehler Blumenbergs verfallen, der, wie er selbst einräumt, sein unorthodoxes Verständnis des Begriffes der Gottesfurcht erst zu einem Zeitpunkt durchschaute, als er bereits eine ganze Theologie irreversibel auf der Annahme eines ängstlichen und verhuschten Gottes aufgebaut hatte. Eine voreilige Festlegung, wer wen zu fürchten hat , oder, in unserem Fall, wer wen erzieht, unterbleibt also besser. Nichts spricht zwar dafür, es sei unserer Ausgewanderten, Maca, vordringlich darum gegangen, die Olotiner Mores zu lehren, aber auch eine nahtlose Einpassung in Sitten und Bräuche der neuen Heimat war vielleicht nicht das Ziel: Olot per una forastera (fins i tot per una forastera prou integrada) tenia i te aspectes que són - parlant gastronòmicament - com un os dur de rosegar i altres ben dolços que passen com la crema de St. Josep.

Auch für einen Ostwestfalen, der das diesem Volksstamm anlastende Klischee der Unempfindlichkeit und Holzklotzartigkeit vielleicht recht gut erfüllt, ist es ganz und gar nicht das gleiche, nach Olot zu reisen oder ein Indianerlager zu betreten, und doch ist es ein Geschehen der gleichen Kategorie. In beiden Fällen gilt es, die dominierende Gleichheit der Menschen zu sehen, ohne darüber das Gefühl für die unterschiedlichen kulturellen Ausprägungen zu verlieren. Daß die Olotiner Unterschiede, gemessen am Indianerbeispiel, eher filigran und mikroskopisch sind, hat nichts zu besagen. Wir wissen, daß Lautunterschiede, die in einer Sprache gar nicht wahrgenommen werden, in einer anderen die Bedeutung auf den Kopf stellen können. Sprache aber ist als die zentrale sowohl humane als kulturelle Erscheinung anzusehen, und was hier gilt, wird auch sonst nicht ohne Gültigkeit sein. Maca führt ein sehr schönes und zugleich erheiterndes Beispiel an für den kleinen Unterschied, der einen großen macht: A mi només m’arribaven onades de soroll del qual de tant en tant en pujava, com una butllofa, la paraula “mauvais”. M’irritava tanta dolença en una sobretaula d’una gent que semblava feliç i contenta. Vaig trigar un bon temps fins se’m va revelar que el suposat dolent era “molt bé”.


Maca ist wie keine zweite bestrebt und befähigt, zwischen den Anforderungen des Universalismus und des Kulturalismus zu vermitteln. Wenn der gastronomische Aspekt zunächst auf der metaphorischen Ebene eingeführt wurde, so rückt er auch ganz real in einer kulturkomparatistischen Weise in das Zentrum der Betrachtungen: La meva primera notícia culinària catalana, encara a Alemanya estant, era la del pa amb xocolata que aleshores no em va convèncer gaire. Ara en penso diferent, encara que no m’he convertit en una endrapadora apassionada d’aquesta combinació. La defenso perquè veig massa nens engolint bolleria industrial, però sobretot perquè més enllà dels valors nutritius del pa amb xocolata, s’hi materialitza tot una filosofia de la vida: El pa de cada dia, essencial i imprescindible, i una dosi de dolç, de vici i d’alegria. Feliç la criatura que encara pugui gaudir d’un berenar tan profund!

Per qüestions de paladar, servidora dóna la palma al pa tomàquet que, com cal, va ser el primer que vaig menjar en terres catalanes i del qual no fa falta que canti aquí les seves excel·lències que amb tota la raó estan a prop del mite.

Voleu que expliqui quatre coses del meus orígens culinaris? Una mica exagerat, per tal que el meu entusiasme per la cuina catalana es faci més patent? Aquí teniu: Un cop superada la cuina de subsistència de la postguerra, als fogons de la majoria de les famílies alemanyes s’havia perdut el bon fer: tractar amb saviesa els productes, tenir temps i amor pel plat que vols portar a taula. Menjàvem plats únics massa pesats, destinats prioritàriament a atipar els comensals.

Aquí hi ha peix! Xai! Oli de oliva! Gambes! Coques de llardons! Ratafia! Hortalisses ecològiques de Can Maia! Vi! Cava! Aiguardent de fajol! Crema de St. Josep! Panellets! Fesols de Santa Pau! Tot això i un munt de productes més que ja sabeu... Si ara algú opina que és millor menjar bé que parlar-ne, té tota la raó del món.

Der Daheimgebliebene gibt ihr recht nicht zuletzt was die schlichten Formen des pa tomàquet und des pa amb xocolata und vor allem auch, was den schönen Seitenblick auf die glückliche criatura que encara pugui gaudir d’un berenar tan profund anbelangt, und wenn er sich doch kleine Korrekturen vorbehält, dann vielleicht nur geboren aus der Not, die Olotiner Küche nur sehr sporadisch genießen zu können, und ansonsten mit der deutschen, nicht selten sogar mit der von ihm selbst zubereiteten auskommen zu müssen. Beim letzten Satz allerdings folgt er Maca nicht so ganz, und, wie er vermutet, sie sich selbst auch nicht. Zumindest im Zustand der - wie auch immer erreichten - Sättigung ist das Vergnügen, Josep Plas oder Vázquez Montalbáns, um es bei den Katalanen zu belassen, Ausführungen zum Essen zu lesen, kaum geringer als dasjenige des realen Vollzugs. Und wird der reale Genuß nicht erst angefeuert durch die Namen der Gerichte und Weine und dann durch ihren Anblick zum Lodern gebracht, während die arme Kreatur sich nur wort- und blicklos auf ihren Napf stürzen und ihn wie rasend leeren kann, um dann ernüchtert und verlassen in die Welt zu schauen. Es sind die alten ungeklärten Fragen von Sprache und Sein, Lesen und Leben, zwischen Leben als Lesen und Lesen im Leben, zwischen Don Quijote und Sancho Pansa.

Von irgendeiner Fixierung Macas auf den gastronomischen Aspekt kann ohnehin nicht die Rede sein, Sancho Pansa, der uns ja allen Freude bereitet, steht ihr keineswegs näher als Don Quijote, die Metapher des Essens wird rückgewendet auf Realitäten ganz anderer Qualität: Per a mi ‘crema olotina’ significa: un grup de gent ben a prop i aleshores queviures com ara la faràndula ballant, els murs secs de Batet, els pagesos al Firal als dies de mercat, les obres de Leonci Quera, el toc d’inici del Cornamusam, les poemes de Joan Teixidor, la vista des de St. Francesc, les campanades de St. Esteve que puc sentir des de casa meva ...

Bewegt man sich im Spannungsfeld von Universalismus und Kulturalismus, landet man unausweichlich bei der Frage des Nationalismus: La placa ja portava una d’aquelles enganxines que demanaven EN CATALÀ SI US PLAU (així en majúscules). Vaig pensar que era impossible reivindicar amb més claredat i alhora amabilitat l’indubtable dret a l’ús públic de la pròpia llengua: Ningú no s’arromangava les mànigues i no treia ni els punys ni armes pitjors per posar-les al pit de ningú en nom del català. - Si el nacionalisme d’ací era així, jo volia ser catalana. Aquesta pretensió, però, s’havia quedar en el desig, un desig, a més, ingenu, era una mena de fugir d’estudi, perquè hauria significat passar ratlla al passat nacionalista assassí del meu país fent veure que em podia deslliurar de la culpa i vergonya amb la qual hem de carregar els alemanys per haver permès, i massa sovint aplaudit, el règim nazi.

Selbst war ich in meiner Kindheit und Jugend, die noch immer nicht recht abgeschlossen ist, wahrscheinlich allzu sehr beschäftigt, Apachen- und Cheyennenationalist zu sein, um dem deutschen Nationalismus die gebührende oder auch nur allernotwendigste Aufmerksamkeit zu schenken. Übersehen ließ er sich beim besten Willen, der nur der allerschlechteste hätte sein können, dann natürlich nicht. Vor gar nicht mal allzu langer Zeit, als ich, mit einigen Kenntnissen der irischen Geschichte versehen, Bob Geldorfs Song of an Emerging Nationalist hörte, konnte nur der Gedanke an die schlimmen Vorgänge im Norden des Landes mich davon abhalten, irischer Nationalist zu werden. Natürlich ist richtig, daß Kulturen sich gegenseitig befruchten, aber sie brauchen auch Schutz voreinander, wie ihn der Nationalstaat leisten kann. Niemand, der bei Sinnen ist, wird die Deutung vertreten, die europäischen Einwanderer in Nord- und Südamerika hätten die indigenen Kulturen befruchtet, und mancher würde sich wünschen, diese hätten es bis zum Nationalismus gebracht, bevor sie zerstört wurden. Wer ist nicht auf Seiten der Kurden? Und wer hätte Lord Byron und die anderen getadelt, als sie zum Frommen der Griechen gegen die Türken zogen. Der Nationalismus der kleinen und unterdrückten Völker, jedenfalls solange sie keine Nation sind, ist ein ganz anderer als der der großen und mächtigen.

Eins steht völlig außer Frage: Em temo que quant al nacionalisme català m’he de declarar en bancarrota mental, intel.lectual i psíquica. Quan vaig fer el primer intent de situar-me en la problemàtica vaig acabar amb la frase “Em fa por el nacionalisme excloent.” El nacionalisme excloent ist natürlich das genaue Gegenteil des nicht in jedem Fall unberechtigten kulturellen Nationalismus: Gaeilge led’ thoil, en Català si us plau. Leider wissen wir aber und verstehen auch, daß die Schwachen, sollten sie mächtig werden, nicht mehr dieselben sind.

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