Freitag, 19. Dezember 2008

The Missing Christ

Gelesen:
Jean-Bernard Pouy, 1280 Ames
Jim Thompson, Pop. 1280


Because it was realy pretty god-danged sad, now, wasn't it? It was a god-danged sorry state of affairs. Really downrigt sad.

Jim Thompsons Buch Pop. 1280 hat in der französischen Übersetzung von Marcel Duhamel den Titel: 1275 Ames. In Jean-Bernard Pouys Roman 1280 Ames wird Pierre Gondol, Antiquar und Literaturdetektiv, beauftragt, die verlorengegangenen fünf Seelen zu suchen. Die fünfte und letzte ist am schwersten aufzutreiben, erst auf der buchstäblich letzten Seite zeigt sich, es ist Le Christ qui manque aux hommes, et qui a peu à peu DISPARU.

In Chandlers Philip Marlowe wird gern eine Reinkarnation des Christus gesehen, bei Thompsons Held Nick Corey liegt diese Idee nicht unmittelbar und auf den ersten Seiten nahe, und doch: Darüber belehrt, seine Wiedergabe von Population 1280 mir 1280 Souls sei falsch, da man beim Zensus notgedrungen die Neger habe mitzählen müssen, die bekanntlich keine Seele haben, führt Corey als Gegenbeleg seine schwarze Amme und seine verschiedenen schwarzen Geliebten ins Feld, Caritas und Amor also, die zwei Grundformen der Liebe. Er erfährt daraufhin, Saugen an einem Euter beseele keine Kuh und Sodomie nicht das Schwein. Der zaghafte Versuch einer Religion der Liebe ist umgehend gescheitert, die Welt will keine Erlösung.

Einige merken, daß Nick Corey sich tarnt und den Ignoramus mimt, und auch der findige Leser merkt schnell, alles Handeln ist darauf abgestellt und Teil eines großen Plans, die Wiederwahl im Amt des Sheriffs zu sichern. Aber auch diese Wahrheit ist Tarnung und bloße Ablenkung, hinter dem großen Plan steht der Plan eines Größeren. Der mit dem Angebot der Liebe gescheiterte und auf alttestamentarische Tugenden zurückgefallene Gott hat seinen eingeborenen Bastard Nick Corey gen Pottsville & Gomorrha in Potts County entsandt, die Sünder zu verderben, und Corey weiß um seine Mission. Aber hinter der zweiten Wahrheit schaut wieder die erste hervor. Wenn es um die Durchführung seines Plans geht, räumt Corey nicht nur Sünder, sondern auch halbwegs Gerechte aus dem Weg. Der große Plan und der Plan des Größten geraten durcheinander. Corey ist der Gesandte Gottes, aber man hat einander schon bald aus den Augen verloren, und wiederum doch nicht ganz: Or maybe I mean this that I'm the Saviour himself, Christ on the Cross come right here to Potts County, because God knows I was needed here. I shuddered, thinking how wonderful was our Creator to create such downright hideous things in the world, so that something like murder didn't seem at all bad by comparison. I'm the High Sheriff of Potts County, all I can do is follow the pointin' of the Lord's finger. Blasphemius filius Dei. - Die Grundzüge des Heilsgeschehens sind auch denen, die das Buch nicht gelesen haben, aus Bertrand Taverniers nach Afrika verlegten Verfilmung Coup de Torchon (Der Saustall) bekannt.

Nicht wenige sehen in Chandler, Hammett und eben James Meyers Thompson die klassische Triade des amerikanischen Schwarzen Romans. Jim Thompson steht uns vor Augen als die überaus feine Gestalt des sehr reichen und sehr alten Richters Grayle in der Verfilmung des Chandlerromans Farewell my Lovely von Dick Richards aus dem Jahre 1975. Richter Grayle-Thompson betritt den Salon, findet dort Mrs. Grayle-Rampling und Marlowe-Mitchum, den Detektiv, in einer eindeutigen Situation, schaut nur einen Augenblick traurig ins Leere, wie in eine falsche Welt, in die er gewissermaßen ohne sein eigenes Zutun geraten ist, und verläßt das Zimmer wieder. Nur zwei Jahre später ist Thompson, der ganz und gar andere Bücher geschrieben hat, als der Richter Grayle oder sonst jemand sie hätte schreiben können, gestorben, gar nicht einmal so sehr alt, mehr oder weniger verhungert, wie es heißt.

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