Montag, 26. Juli 2010

Catalunya


Die Katalanen haben den Stierkampf untersagt, wir wollen sie dafür weder loben noch tadeln. Die Katalanen sind anders als die restlichen Spanier, das wird deutlich, wenn sie ihren heimischen Tanz, die Sardana, ausführen, der denkbar größte Widerpart zum Flamenco. Die Katalanen sind glücklich darin, schtschastliw tjem, daß sie mit Josep Pla einen Prosaisten der Premiumklasse haben, der praktisch jeden Quadratmeter ihres Landes in einen Satz umgeformt hat.


Plas Gesicht ist bäuerlich, souverän, frei, abweisend und unendlich freundlich. Er gehört zu den Dichtern, bei denen es nach kurzer Zeit nicht mehr gelingt, das Antlitz von den Sätzen zu unterscheiden. Bei You Tube findet man eine Interviewreihe mit dem gleichen Fragensteller, der auch Juan Carlos Onetti befragt hat. Beide, Pla und Onetti, rauchen ohne Unterlaß. Onetti setzt mit ausholender Geste die nächste Zigarette zivilisierter Bauart in Brand, Pla hat ein verbogenes Etwas im rechten Mundwinkel kleben, so als ginge es ihn nichts an, auch dafür lieben wir ihn. Das Gespräch wird in kastilischer Sprache geführt, das ist schade auch für den, der das eine nicht besser versteht als das andere. Plas Gesicht ist das der katalanischen Sprache, das Kastilische hat viele Gesichter.



4 Kommentare:

Christian Runkel hat gesagt…

Ich gestehe an dieser versteckten Stelle des Internets, daß ich den Stierkampf wegen Hemingways Erzählungen schon von Jugend an verehre, und daß ich die einzige Corrida, die ich je sah, 1990 im französischen Dax, nahe der spanischen Grenze, für einen der Höhepunkte meines Lebens halte. Daß die Katalanen ihn sich jetzt selbst verbieten, wirkt auf mich wie eine Art Selbstverstümmelung.

Peter Oberschelp hat gesagt…

Für Christian folgt eine kurze Phase der inneren Amerikanisierung seiner Person, während der er streckenweise zu Pferd, streckenweise in einem dunkelbraunen Oldsmobile die Vereinigten Staaten in allen Himmelsrichtungen durchquerte, und die ihren Höhepunkt erreichte zwischen dem sechzehnten und siebzehnten Lebensjahr, als er die Geistes- und Körperhaltung eines Hemingway-Helden an sich auszubilden versuchte, ein Simulationsprojekt, das aus verschiedenen Gründen, die man sich denken kann, von vornherein zum Scheitern verurteilt war. - Also, endgültig Abschied nehmen von Hemingway!

Christian Runkel hat gesagt…

Abschied von Hemingway? Einerseits: habe Jahre nichts von ihm gelesen. Andererseits: lasse mir nicht verbieten, liebe Erinnerungen nachklingen zu lassen. Etwa seine Antwort auf die drei schönsten Dinge: "Zweitens der Stierkampf, drittens der Whisky."

tibull hat gesagt…

Das mit "den" Katalanen ist ein bißchen verquer: Einerseits haben "die" Katalanen Glück mit Pla, andererseits haben "die" Katalanen mitnichten den Stierkampf untersagt; sie haben es lediglich als repräsentativ-demokratische Bürger getan. Es gibt durchaus auch hierzulande (= Catalunya)reichlich Gruppen und Individuen, die die Corrida für nichts weniger als ein Kunstwerk halten, u.a. auch wenn/weil der Stier dran glauben muß.
(Mir scheint, Pla hat sich, anders als Hemingway, - von dem der Abschied nicht nur aus "Fiesta"-Gründen leicht fallen sollte - nicht zum Stierkampf geäußert.)
Ob für die katalanische Kultur die Corrida essentiell ist, kann man mit guten Gründen bezweifeln, obwohl in meiner Kleinstadt Olot die zweitälteste Arena des Landes steht. In keiner Plaza de Toros des Landes wird Katalanisch angefeuert, Mißfallen bekundet usf.; das passiert kastilisch. Für die katalanische "Identität" ist Stierkampf also eher peripher, wird von diversen spanischen Mitbürgern goutiert (s.o. 'Gruppen und Individuen). Will sagen, es ist unwahrscheinlich, daß das Corrida-Verbot einer Selbstverstümmelung Kataloniens gleickommt, was ganz sicher der Fall wäre, übergäbe man die Werke Josep Plas dem Feuer.
Nichts für ungut - Tibull