Ich war mit dem Fahrrad auf dem Weg in die Stadt. Schon seit langer Zeit verlief der Weg parallel zur Bahnstrecke, irgendwann würde es zu viel werden, und ich würde umsteigen. Auf den wenigen Streckenteilen, die ich mit den Autos teilen mußte, ließ ich ihnen immer die Vorfahrt, ob sie ihnen zukam oder nicht, das verringerte zusätzlich meinen Vorsprung gegenüber der aus der Ferne wohl schon herannahenden Bahn. Nun querte der Radweg die Gleise und bog ab ins Feld. Es schien, als ob er in einem weiten Rechtbogen, durch einen kleinen Ort hindurch, nur eine Ansammlung weniger Häuser, schon bald wieder zum Schienenstrang zurückführen würde, es schien auch, als ob sich in nicht allzu großer Ferne erste Anzeichen der Stadt andeuten würde, beides war aber nicht gewiß. Ich spürte die Verlockung der Felder, zögerte nur einen kurzen Augenblick und trat wieder an. Nun begann das Abenteuer.
Mittwoch, 19. Oktober 2011
Freitag, 2. September 2011
Nach dem Rennen

Montag, 25. Juli 2011
Zweifel an der Hölle





Mittwoch, 20. Juli 2011
En el rincón de una iglesia
Mis convicciones son las mismas que las de la anciana que reza en el rincón de una iglesia.
Meine Überzeugungen unterscheiden sich nicht von denen der alten Frau, die im dunklen Winkel einer Kirche sitzt und betet.
Wir sind in den Innenraum einer großen lateinamerikanischen Barockkirche versetzt. Das Kirchenschiff wölbt sich hoch, wenn der Blick nach oben geht. Ein Gottesdienst wird zu dieser Zeit nicht gefeiert, eine Messe wird nicht gelesen, Worte sind nicht zu hören, wohl auch kein Gesang, jedenfalls nimmt die alte Frau dergleichen nicht wahr, es ist still um sie. Die Frau sitzt allein in ihrer Ecke, falls noch weitere Menschen in der Kirche sind, sieht sie sie nicht, die Entfernungen in der Kirche sind groß. Es ist dunkel, einige Kerzen scheinen, das Tageslicht dringt nur schwach durch die Fenster. Die Wahrheit des Glaubens ist im Gemäuer, in den Säulen, in den Bildwerken. Die Bildwerke sind nicht von Fra Angelico oder Grünewald, die Frau, wenn sie aufschaut, stört sich daran nicht, die Bilder sind ihr nicht weniger schön und eindringlich, die unbekannten Maler haben sich nicht weniger gemüht. Die Frau ist alt, nicht so alt wie der Glaube, aber alt genug, um die Kraft des Überkommenen zu spüren. Es mag eine Frau aus dem Volk sein oder aus dem gehobenen Bürgertum, gebildet oder ohne Schulabschluß, das ist unerheblich. Wichtig ist dem Verfasser der Scholien zu einem inbegriffenen Text ihre Weiblichkeit. Es geht ihm, dessen männlicher Blick immer wieder abschweift, nicht um die Gleichheit der Geschlechter, ihre Auswechselbarkeit, bewahre. Es geht ihm um das Denken hinter der Beschlossenheit des weiblichen Auges, wie Pisanello sie angedeutet hat bei der Principessa durch die geringfügigste Senkung der unteren Lidgrenze. Die Überzeugungen der alten Frau sind tief aber ohne scharfe Umrisse. Ihr Beten, das sind vielleicht gemurmelte Worte, die sie selbst kaum versteht, vielleicht ist es aber auch ein wortloser Zustand, das Große Gebet.
Meine Überzeugungen unterscheiden sich nicht von denen der alten Frau, die im dunklen Winkel einer Kirche sitzt und betet.

Donnerstag, 7. Juli 2011
In der großen Stadt

Sonntag, 5. Juni 2011
Bild einer Ausstellung

Im Katalog kommt Goethe zu Wort: Die Kunst ist eine Vermittlerin des Unaussprechlichen; darum scheint es eine Torheit, sie wieder durch Worte vermitteln zu wollen. Der Großmeister fährt dann beschwichtigend fort: Doch indem wir uns darin bemühen, findet sich für den Verstand so mancher Gewinn, der dem ausübenden Vermögen auch wieder zugute kommt. Unabhängig vom versprochenen Gewinn kann man sich fragen, was wir denn wohl vom Unaussprechlichen wüßten, wenn wir es nicht fortwährend immer wieder besprechen würden, und zum anderen sind zumindest in der Wortkunst Sprache und Unaussprechliches ununterscheidbar eins. Wer einen künstlerischen Text als eine Abfolge von Mitteilungen und Aussagen liest, hat ihn, wenn der Text seinen Kunstanspruch denn zu Recht erhebt, nicht verstanden.
Peter Weiss, Dichter und Maler, bringt in seiner Ästhetik des Widerstands Werke verschiedener großer Maler und Künstler im Stein, Gaudí, Breughel, Picasso, van Gogh, wortwörtlich zur Sprache, zum Sprechen. Auch Sebald spricht nicht über die Bildwerke, sondern läßt Gemälde von Grünewald, Pisanello, Rembrandt Giotto, Valckenborch Geschichten erzählen, nicht unbedingt das, was der Maler uns sagen oder vorführen will, wenn er denn solche Absichten hatte, sondern etwas, das das Bild ihm und uns ins Ohr flüstert, ob der Maler, ganz zu schweigen von uns, nun zuhört oder nicht, eine Kleinigkeit vielleicht nur wie die kaum auszumachende stürzende Dame im kanariengelben Kleid bei Valckenborch, wie der von Proust entdeckte Mauerfleck auf dem Bild Vermeers - aber gibt es denn Kleinigkeiten in der Kunst.
Bei Dieter Rübsaamen gehen Bild und Sprache durchweg die engste Verbindung ein. Die Betitelung der Bilder ist oft überbordend: Ein Satz nur ... Verdeckter Tanz hinter hehren Worten. Offenbart der Künstler hier souverän den Bildgehalt, oder ist das Bild verbal übergeflossen, ein Wasserschaden sozusagen, den es zu beheben gilt. Vielleicht auch erwartet der Maler Frost und lockt uns auf Glatteis. Die Bildfläche selbst ist beschriftet: Der Satz sagt nur insoweit etwas aus, als er ein Bild ist. Wir können diesen Satz bedenken, so wie Wittgenstein selbst seine Sätze immer wieder bedacht und auch verworfen hat, wir können aber auch darauf verzichten. Der Satz ist mit allen Anzeichen der Sachbeschädigung eingeritzt in eine dunkle Fläche. Beim Wort Bild schreckt der Maler, zu Recht oder zu Unrecht, auf, und die Beschädigung, die Schramme, wird zu einer blutroten Wunde, die sich nicht wieder schließen will.
Wie sähe das Bild aus, wäre es nicht beschädigt und verletzt worden von den Worten, vielleicht eine monochrome graue Fläche. So wie das Bild ist, sähen wir dann verdeckt hinter den Worten nicht, wie verheißen, einen Tanz, sondern eine Verzerrung im Schmerz. Oder wir sehen beides, denn wenn der Tanz Ausdruck der Lust ist, so kann, wie wir wissen, der Schmerz ohne weiteres Lust werden und der Tanz seinerseits Totentanz. Ein Bildwerk, das die Worte in sich aufgenommen hat, tut sich mit der Erzählung seiner Geschichten vielleicht besonders schwer, fordert aber um so hartnäckiger auf zur Entzifferung.
Dienstag, 31. Mai 2011
Hohes Laufgitter

Mittwoch, 4. Mai 2011
Freude
Wohl jeder, der zuhörte, als die Kanzlerin Freude über die Tötung Bin Ladens bekundete, wird sich gefragt haben, war der Wortlaut unbedacht oder kalkuliert. Vielleicht ging es der Kanzlerin um eine Diskussion nicht ganz so flach und lustlos wie seinerzeit bei den Ceau
cescus. Hoch schlagen die Wellen aber auch dieses Mal nicht. Vertreter der Kirchen schlagen gemäßigt freudlose Formulierungsvarianten vor, Atheisten bekennen sich zu christlichen Werten und bezeugen so ein weiteres Mal die Herkunft der Aufklärung aus dem Evangelium. Vertreter des totalen Rechtsstaats seien hier auf ästhetische Bedenken hingewiesen. Kein ernstzunehmender Verfasser von Kriminalromanen wird darauf verzichten, wenn schon nicht die Haupt-, so doch eine Nebenrolle mit einem Verfechter des kurzen Instanzenwegs zu besetzen. Was wären die schwe
dischen Filme vom Kommissar Beck ohne den Assistenten Gunvald Larsson – sie wären grauenhaft. In Hollywood sind erste Verfilmungen des Lebenswegs Osama bin Ladens angelaufen. Billy the Kid ist mit jeder weiteren Verfilmung nur edler und liebenswerter geworden. Denkbar, daß auf diesem langen Weg auch der Outlaw Bin Laden noch zum amerikanischer Nationalhelden läutert.


Sonntag, 3. April 2011
Jed Le Strange
Nicht ohne darüber irritiert zu sein, fühlt sich der Sebaldianer in Houellebcques Buch La carte et le territoire zunehmend daheim. Die erzählerische Oberflächegestaltung und die ablaufenden Erzählprogramme der beiden Autoren sind so unterschiedlich, wie sie nur sein können, ähnlich aber ist das ihnen zugrundeliegende und sie generierende Weltverhältnis. Das wird vollends deutlich, wenn sich der Protagonist Jed Martin am Ende in Sebalds säkularen Paradeheiligen Le Strange verwandelt.
Auf dem Höhepunkt seines künstlerischen Erfolges als bildender Künstler Jed décida de déménager pour s’installer dans l’ancienne maison de ses grands-parents dans la Creuse. Er arrondiert das Grundstück durch Zukauf auf einen Umfang von nicht weniger als siebenhundert Hektar, zäunt das fortan ungenutzte Gelände ein und baut eine Straße hindurch, die es ihm erlaubt, ohne Berührung mit der umwohnenden Dorfbevölkerung einen einigermaßen entfernten Supermarkt zu erreichen. Indem sie ihm die biologische Existenz ermöglicht, tritt die Straße bei ihm gleichsam an die Stelle von Le Stranges Haushälterin. Am großelterlichen Haus selbst wird nichts an-, ausgebaut oder renoviert. Die Kosten für den Ausbau seiner Einsamkeit beziffern sich auf 8 Millionen €, nach den im Roman zuvor genannten Zahlen ein Drittel seines Vermögens. Jed Martin ist damit der gleichen Vermögenskategorie zuzuordnen wie der Major Le Strange. Bei den Preisen, die seine Bilder erzielen, könnte er sein Vermögen im übrigen beliebig steigern, unternimmt in dieser Richtung aber nichts. Anders als ihre heiligen Vorläufer denken die beiden Eremiten bei Eintritt in die Einsiedelei nicht an ein Wegschenken ihres Vermögens, die Barmherzigkeit ist den Sozialsystemen gewichen, deren melioristisches Element ihnen fremd ist. Wie die Heiligen haben sie verstanden, daß der Mensch nicht für die Welt gemacht ist, haben aber nicht mehr die Möglichkeit, zu Gott zu flüchten. Le Strange mimt in gewissem Sinne noch die Heiligkeit, indem er sich auf seinen Gelände mal als der heilige Franz und dann wieder als der heilige Hieronymus darstellt. Wenn der Mensch aber sich nicht mehr aus der Welt zu Gott flüchten kann, wird augenblicklich klar, daß, noch weniger als die Welt zum ihm, er zur Welt paßt. Bei Sebald flammen immer wieder Vernichtungsvisionen auf, die den Menschen von der Erdoberfläche tilgen, Jed Martin gibt seine späten Lebensjahrzehnte an ein unter Ausschluß der Öffentlichkeit betriebenes Kunstprojekt, qui constitue sans nul doute la tentative la plus aboutie, dans l’art occidental, pour représenter le point de vue végétal sur le monde. Das Buch schließt mit dem Satz: Puis tout se calme, il n’y a plus que les herbes agitées par le vent. Le triomphe de la végétation est total.
Fremde, von niemandem gewollt, das ist, soweit absehbar, unsere Lebenslage. Allons, je n'ai pas eu une mauvaise vie, bilanziert Jed Martin am Ende. Sebald hätte ihm beigepflichtet, über Wyndham Le Strange wissen wir zu wenig, als daß wir in dieser Hinsicht für ihn sprechen könnten.

Freitag, 25. März 2011
Ein großer Dichter
Die Dichter bewohnen in ihrem Turm unterschiedliche Etagen, Handke, um ein Beispiel zu nennen, woh

Freitag, 25. Februar 2011
Archimedes


Sonntag, 23. Januar 2011
Säulenheilige

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